Mikrogramme

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Schwesternschaften . fortzuspinnen .


Coming soon // 14. November 2025 im ✧ Wehrhahn Verlag
Schneegestalten
· // Schneegestalten · 2025 // ein Gedicht entstanden in Zusammenarbeit mit Jane Wels · Text : Jane Wels und Antje-Kathrin Mettin · Stimme & Video : Antje-Kathrin Mettin ·
Dunkles Glühen
Du gehst in mir spazieren / durch diese Nächte ohne Mond /
interlinear wandelst Du in Räumen eines Dazwischens /
im Spatium, das warme Finsternis zu fassen sucht mit Mund /
biegst dich in die Varianten des Möglichen / Körper im parallelen Raum /
ein dunkles Glühen verschmilzt zerbrechlich Glieder zu vorgespanntem Glas / bruchlos fallen wir durch schwarze Nacht
El canto del Lorito
scha – scha – scha
ataschd, ataschd, ataschd
F – fff – ff – f
Fe – fefefe – fefe – fe
Fe – dern
Federn
wo
wo sind
meine, wo sind meine
– geblieben?
F – fff – ff – f
mit fremden Fa – fa –
mit fremden Fe – fe –
mit fremden F – fff – arben
Farben
schsch – schmücken?
bluthrot
dunkellauchgrün, grün,
apf – fff – ff – felgrün
bluthroth, rot, röthlich,
gelblichweiss
heller, eller, ler, dunkel,
dunkelhorn – f – fff– ff – f – farben
braun, braun, braun, gelblichbraun
dunkelbraun, dunkel, hell, hellbraun
scha – scha – scha
ataschd, ataschd, ataschd
mein F – fff – Vorderkörper
F – fff – ff – f
mein F – fff – Fahnenbart – Fah–nenbart – F – Ahnen – bart
mein Ahne – Ahne ! ahne,
ich ahne, ahne :
wo sind meine
F – fff – ff – f, wo sind
meine Fittigfedern?
Fittigfeder, Fittich, Fittiche
unter Fittiche
hast Du uns,
unter
Deine
genommen, Fittiche
Tsch – Tsch – Tsch
-udi, -udi ?
lebten wir unter Deinem Sch – sch – utz?
wir lebten
nicht
Sch – schschsch – schsch
schtutzig
stutzig machtest Du mich
mit meinem
Sch – schschsch – schsch – Schnabel, der singen wollte,
meinem Sch – schschsch – Schwanz, der mich in die Lüfte tragen sollte,
meiner Schschhhhhh – Schschhhhhh Schtirn, meinem eigenen Kopf, meiner Sch – schschsch – sch Schschhhhhhprache
meinen Sch – schschsch – schsch – Schienen, meiner
Sch – tirn-,
Augen- und Ohr-, Ohrgegend, Gegend, Gegenden,
gegen, gegen – mich gewendet ?
Federn, Vorderkörper, Oberkörper, Körper, entkörperte Körper – wir Dir?
Flügel und Schwanz, Fahnenbart der ersten Fittig – ch – ch – ch – feder
Kehle, Brust und der ganze Unterleib
sch – schschsch – schsch – schmerzt, schmerzen
Schienen ums Knie, Schnabel, Tarsen, Nägel
ich kralle, kralle mich, sch – schschsch – schsch – schlage mit Nägeln in Deine
Worte
Worte, W – orte, orte, orte
suche Orte, Orte!
zu kleiden in meine Federn, mit meinen Federn Worte zu sch – sch – schmücken
in meinen Worten : Orte zum Leben,
Singen
Fliegen
Schschhhhhh – näbeln
meine Iris – is – is –
is – si – si – sie sieht Farben, Fa–, Fa– Farben, die Du nicht
kennst, Tsch – Tsch – Tschudi,
willst meine Farben nicht sehen
in Deinen ortlosen Worten ?
scha – scha – scha
ataschd, ataschd, ataschd
Tsch – tsch – schschsch – schsch
stutzt mich
Tsch – tsch – schschsch – schsch
schießt mich
Deine Begriffe machen mich stutzig . Eure Worte sind keine Orte,
in Eurer Begriffsstutzigkeit
singen wir nicht,
wir fliegen nicht, wir leben nicht
Ihr stutzt zurecht .
Mit gestutzten Flügeln
fliegt man nicht
Ihr fliegt nicht, mit gestutzten Worten,
Tschschhhhhh – Tschschsch – Tschsch – Tschudi
Hört
mit Euren Ohren neue
Gegenden,
hört mit Euren Ohrgegenden
unsere neuen Worte, unser Rausch – schschsch – schsch en
Tschudi
Ituschd
Ituschd
Dischut
Dischut
Suchtid
Tichsud
Tuchsid
tachsad, tachsad, tachsad
sachtad, sachtad, sachtad,
daschat, daschat, daschat,
ataschd, ataschd, ataschd
tschada, tschada, tschada
scha – scha – scha
Ituschd
Gedichtzyklen
| & Auszüge |
Durchbrüche – oder auch: Epiphanien im Bade alias: poetische Tauchgänge
| Ausstieg |
Bereit, den Ausstieg zu wagen.
Auf allen Vieren, so ist’s am besten, katzenhaft – wildkatzenhaft, dächte man vielleicht.
Auf allen Vieren also, es wirbelt das Wasser, ist: aus der Ruhe gekommen.
Die Wildkatze scheuchte es auf.
Ruheloses Wasser, kreist und kreist. Führt mit sich:
Schäumchen, Bläschen – Traumbläschen.
Ein Traumbild zeigt sich auch mir. Es ist:
Ein Köpfchen, aus Bläschen geformt, glänzenden, kleinen wie großen.
Hat aber: ein Schlafmützchen auf, dies Köpfchen. Wie reizend!
Köpfchen wirbelt, Köpfchen dreht,
dreht sich, wörtlich und wahrhaftig, um
360 Grad.
Und wer glaubte es: Im Dreh, im muntren Tanz – um sich selbst –,
legt Köpfchen das Mützchen ab,
nein, Mützchen wird zum Köpfchen, werden eins, das Mützchen und das Köpfchen.
Edles Antlitz ist es nun – ein Jüngling, ein zarter, wie’s scheint.
Arme staken im Wasser, staken wie Pfähle eines Hauses,
das die Fluten nicht erreichen sollen.
Der Jüngling nimmt seine Reise dorthin, reist zu den stakenden Pfählen,
dockt an, will gar: hinauf?
Doch damit hat er nicht gerechnet, kreisender Schaumjüngling, der er ist:
’S ist ein lebendiges Haus, an das er dockte.
Pfähle bewegen sich, ja lösen sich aus Wassersflut,
steigen auf in die Lüfte. Muss wohl sein das Haus auf Hünhnerbeinen, fliegt davon,
samt Baba Jaga, dies Haus auf Menschenbeinen.
Nun, dem Jüngling schadet’s nicht, dem schönen:
bleibt er zurück als Herz, das sich vom Pfahle löste.
Bleibt: kreisendes Herz und ist sich selbst genug.
Blickt nach, der Wildkatze, der fliegenden?
Nehm’s mit: dies Schaumgesicht, aus der Wanne.
Farbsuche.
| Rätselbild |
Was zittert dort, so ganz versteckt,
so ganz verschämt
in jener Ecke
dieses Baumes,
in jenem Dunkelbraun, fast Schwarz?
Was bebt so sanft und ist doch kaum:
zu sehen?
Aufmerken gewinnt es
durch ein anderes,
das auf ihm liegt.
Wie hingeflockt und ausgestäubt
von jenem Baum,
ein gelblich-bräunlich Pollen.
Durch was wird es bewegt?
Was ist die Farbe, die es tönt?
Wie tönt es bloß?
Ist’s Grau, ist’s Weiß, ist’s transparent?
Wie Nylonfaden
oder Folie?
Mikroskopie : Krustentiere.
| Schmales Habitat |
Schmales Habitat, schmales Biotop,
kaum mehr als ein Hauch,
ragst Du wohl hinab, immerhin:
an die 35 mal tausend Meter, wenn Du magst.
Wir aber wandeln nicht in 35 mal tausend Meter Tiefe,
selbst auf der Kruste wandeln wir
nur auf der Oberfläche, nein,
nur auf Teilen von Oberfläche –
kontinental, nicht ozeanisch.
Dünner als ein Hauch, aber doch:
hingehaucht.
Atem, Odem, kühler,
auf daß es wurde: Grenze, die
begehbar ist, befühlbar,
bedenkbar.
Bedenklich.
Hingehaucht, hauchdünn,
fragil. Bezaubernde Fragilität,
Schönheit im dünnsten Hauch des Hauches.
Nur im Hauch ist Wahrnehmung,
ist Gehen und Denken.
Wahrnehmung ist nur das: ein Hauch,
aber doch einer, an dem alles hängt.
Weil er zart, nicht mächtig ist, dünn,
fragil: der Hauch,
darum ein Nichts?
In der Tat: haarscharf grenzt er ans Nichts,
aber Nichts ist er nicht.
Im Dünnen, Zarten, Hingehauchten, liegt unsere Hoffnung.
Hingehaucht das Leben, das Leben ist der Hauch und
Hoffnung nichts als Hauch.
Odem des Lebens.
Der Grobe – und wo ist noch Raum, noch Zeit für’s Zarte? –
merkt es nicht, erkennt es nicht, denkt er wäre mehr als:
Hauch,
achtet gering den Hauch
und merkt nicht: daß so
keine Hoffnung ist,
kein Leben.
Was uns haarscharf scheidet von Hitze und Nichts,
das Bisschen, der Hauch: es ist alles.
Schwesternschaften.
| Schwestern, Ihr, Geliebte |
an Anna Louisa und Sappho
Schwestern, Ihr
tanztet im Reigen
der Worte,
drehtet im Reigen Euch
der Leidenschaft.
Tanzt, dreht Euch
im Kreise
auch mit mir,
so bitt’ ich!
Wohin nur seid Ihr entschwunden?
Wie kommt’s, daß geisterhaft
nur Hauch von Euch geblieben?
Doch:
Hauch von Euch
noch heute
mich
umweht? Durchbohrt
mit glühend heißem Stich
das Herze mir, den Magen sticht,
mit Worten
voller Leben?
Ihr,
nicht wusstet Ihr von
jenen,
die da kommen werden; nicht wusstet, doch
träumtet
von Schwestern, künftigen, und Brüdern –
zu reichen ihnen
flochtet Kränze Ihr, umkränztet Haar,
mit Blumen farb- und formenreich,
umkränztet Leben, graues,
ergrauendes Haar,
das zu
berühren
ich mich: sehne.
Euch rufe ich,
verwandte Herzen, verwundete, von Leiden überschwer,
der Leiden übervoll,
voll Leidenschaft!
Sehntet, leidvoll, Euch
nach Schönem,
Schwesternschaft und
– Liebesglück.
Vom Zauber wusstet Ihr, der Worte,
von Geisterhand noch hier und da
ein’ Fetzen abgerungen
jenem Feind: der zu siegen
nicht
hat aufgehört.
Und: »Wenn du stirbst, ist es aus:
späterhin fragt
keine Erinnerung,
keine Sehnsucht nach dir,
weil du ja nie
an den Pierischen
Rosen Anteil gehabt.
Unscheinbar gehst
du in des Hades Haus
zu den Schatten hinab,
kraftlos wie sie
fliegst du hinweg, ein Nichts.«1
Zu finden wusstet Ihr nicht hartes, böses Wort,
saht: Rosen, pierische, im Atem:
der Verdammten.
Und sei’s ein Fetzen nur, die Hoffnung, die er trägt,
trägt Freundschaft fort
durch tiefe Nacht
der Zeit.
»Frau schreib ich für den Ruhm, und für die Ewigkeit
Nein zum Vergnügen, meiner Freunde
O daß Gerüchte Trägt, nur eine kurtze Zeit
mit unßerm Lobe sich, so bald wir von den Feinden
Der Menschheit überwunden sind
Verflattert unßer ruhm, wie Blätter die der Wind
in irgendeinen Fluß gewaltig fortgetrieben […]
Die Grichin ist zerstreut, die meine Leyer trug
so zärtlich war wie ich, nach ihren Phaon frug
und nach dem Leben nicht, sie flog zum Tode nieder […]
o Sapho war berühmt, ihr Vollk so groß wie Printzen […]
halb Göttin war das Weib […]
Und dennoch ist von dem, waß sie der Welt geschrieben
Ein kleiner Überrest, der Nachwelt nur geblieben
Frau ein solch schicksaal Trifft auch meine Lieder Einst,
wen du auß zärtligkeit bei meiner Asche weinst
noch ehe sich an mir die Würmer groß gefreßen
wirt schon die gantze Welt, mich und mein Buch vergeßen,
Jedoch vielleicht erhält sich vor den Zahn der Zeit
mein kleines Buch voll süßer Lieder
gesungen von der Zärtligkeit
Für Tyrsis […]«2
Verflattert’ Worte, zerstoben von Jahrhunderten,
doch flatterhaft und eigenwillig
verfing sich hier und da
das Fetzlein nur,
das nun als Vöglein Dir und mir
im Ohre kündet eine:
andre Zeit.
Kräht’s pierisch, elsternhaft, in meinem Ohr?
Wohlan, ob Elster oder Nachtigall, die flattert,
Aufmüpfen ist’s und bleibt’s und soll es sein.
Nicht Zeit, die nicht mehr ist,
Menschheit ist – noch nicht – überwunden,
ein Hoffen tragt Ihr fort,
auf das, was heute fast:
verschollen
ist:
Den Freunden zum Vergnügen, die Liebsten zu beglücken,
verstandet Ihr zu flechten
Kränze solcherart,
dass nicht im
wirbelnd Kreis der Zeit,
im Reigen,
den gemeinsam wir durchmessen,
zerstäuben sie und vergehen.
Und sei’s ein Blütenblatt, das bleibt,
aus ferner Zeit ein Krähen nur, ein rauhes,
die Spur, die Ihr ihm einschriebt,
erneuert,
Mütterchen und Schwesterchen,
Gespielinnen ferner Tage,
ein Band, das anderswo sich heute
schwer nur knüpft.
Zu kränzen die Liebsten, zu schmücken,
dass Gestalt wird umspielt und
Vergessen nicht soll sein, Tyrsis, Phaon
und allen Ungenannten.
Erinnert wird nicht Wort für Wort, nicht Folgerichtigkeit
und Stundenschlag.
Schlagend nur ein Herz, das nicht mehr ist
und doch auch meinen Schlag bestimmt.
Flattert fort, verflattert Euch, fliegt hinweg,
hinfort – aus des Hades dunkler Nacht!
Schatten der Schwestern, Vöglein Ihr,
umflattert mich,
umtanzet mich,
und nehmt mich an die Hand,
daß drehend wir
im Kreise
verwirbeln
Staub und Leid und Lieb’
zu neuen
Kränzen, blühenden.
1 Sappho, Fragmente überliefert aus dem Dritten Buch, weit über fünf halbe Jahrtausende her.
2 Anna Louisa Karsch im Jahre 1762, Ob Sapho für den Ruhm schreibt.
3 Wohl mag Sappho mit den pierischen Rosen mehr auf den Olymp und die helikonischen Musen anspielen. Doch Ovid berichtet vom Wettstreit der neun pierischen Musen mit den altbekannten. Jene unterlagen und sollten als Elstern fortan misstönen.

